Runder Tisch zur sorbischen/wendischen Bildungspolitik
Der mit einer großen Breite von Akteuren und Interessierten besetzte Runde Tisch am 23.8.2017 im Haus der Sorben Bautzen setzte neue Akzente zur Lösung der aktuellen Bildungsprobleme und war ein weiterer wichtiger Schritt zur Konkretisierung der Vorstellungen für eine zukünftige Bildungsautonomie des sorbischen Volkes.
Einführend präsentierte Andreas Kluge eine aktualisierte Analyse zur obersorbischen Schul-, Schüler- und Lehrerentwicklung der letzten Jahre sowie zur derzeitigen extrem prekären Perspektive. Außerdem erneuerte er die sechs konkreten Forderungen des 1. Bildungsgipfels aus dem Januar diesen Jahres. Danach tauschten sich die Teilnehmer unter der Moderation von Prof. Matthias-Theodor Vogt, Görlitz, über ihre Praxis-Erfahrungen aus und zogen gemeinsam Rückschlüsse auf nötige Sofortmaßnahmen und langfristig notwendige Rahmenbedingungen.
Die wahrscheinliche Einrichtung der geforderten Obersorbischen Sprachschule als Sofortmaßnahme wurde begrüßt. Die Konzeptionierung unter Ausschluss der interessierten Öffentlichkeit, sowie die bei der Organisation und Kommunikation erneut an den Tag getretene Intransparenz über die Köpfe des sorbischen Volkes hinweg jedoch wurde ausdrücklich bedauert und als symptomatisch für die bisherige Kultur bei Entscheidungsfindungen zu sorbischen Fragen kritisiert. Mittelfristig, bzw. wenn sich jetzt die sächsische Bildungsagentur aus Bautzen zurückziehen sollte, kurzfristig, ist eine schlagkräftige und transparente Sorbische Bildungsagentur nötig, welche aus dem sorbischen Volk heraus die Bildungsangebote koordiniert und die nötigen Rahmenbedingungen entsprechend § 6 der sächsischen Verfassung sicherstellt.
Außerdem wurden Überlegungen zur Bündelung der verschiedenen Bildungsangebote für Erzieher oder der Weiterbildung von Lehrern durch eine pädagogische Einrichtung, ebenfalls unter einem sorbischen Dach positiv gesehen. Aus Zeitgründen nur andiskutiert werden konnten weitere mögliche und für das sorbische/wendische Volk wichtige Fachbereiche einer solchen Einrichtung. Einigkeit herrschte darin, dass die aktuellen sorbischen/wendischen Sprecherzahlen ermittelt und öffentlich diskutiert werden sollten. Nur so können adäquat wirksame Maßnahmen der Förderung identifiziert werden, die der aktuellen Situation angemessen sind. Die Sprecherzahlen sind dabei lediglich Ausdruck der mangelhaften Funktionsfähigkeit des bestehenden Bildungssystems, das in mehr als der Hälfte des sorbischen Siedlungsgebietes bereits heute kein Unterrichtsangebot mehr bietet.
Der Veranstaltung voran stellte Martin Schneider eine Kurzübersicht zur Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens als einen überregionalen Denkanstoß zu den Möglichkeiten bereits realisierter Kultur- und Bildungsautonomie. Bei einer zum sorbischen/wendischen Volk vergleichbaren Personenzahl, jedoch einem Jahresbudget von 350 Mio. € (ca. 4.600 €/ Person) werden auf Basis ihrer Parlamentsbeschlüsse und mit einer eigenen Ministerialverwaltung eine Hochschule und zahlreiche Schulen und Kindergärten sowie eine aktive Familien- und Sozialpolitik betrieben.